Mastodon war schon mal in aller Munde als Elon Musk öffentlich verkündete Twitter zu kaufen. Dann wurde es wieder still. Bis Elon Musk es wirklich getan hat und mit einem Waschbecken ins Twitter-Headquarter marschiert ist.
Inhaltsverzeichnis
- Was ist Mastodon und das Fediverse?
- Wie funktioniert Mastodon?
- Algorithmen und Interaktionen
- Reichweite, Privatsphäre und Contentwarnungen
- Funktionen! Funktionen!
- Moderation FTW!
- Wie melde ich mich denn am besten an? Wie finde ich Server? Tipps?
- Und wie war das mit der WordPress-Integration?
- Fun-Fact am Rande
Und das war der Moment, ab dem ich mich auch mit Mastodon beschäftigt habe. Und weil es viele offene Fragen, Vorurteile und Unwahrheiten gibt, möchte ich hier mal ein bisschen was zu Mastodon und dem Fediverse schreiben. Ergänzungen sind gerne gesehen. Ich erhebe hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Was ist Mastodon und das Fediverse?
Mastodon ist ein Open-Source Projekt von Eugen Rochko. Open Source bedeutet, die Software ist frei, der Quellcode ist offen: Für jeden einsehbar, nachprüfbar, nutzbar.
Mastodon gehört ihm nicht. Nur die gemeinnützige Mastodon gGmbH. Mastodon gehört nämlich im Prinzip niemandem und jedem. Denn die Server von Mastodon sind dezentral, sie gehören nicht einer einzigen Firma, sondern vielen einzelnen Firmen und Privatpersonen. Jeder kann einen Mastodon-Server einrichten. Wie zum Beispiel die Bundesregierung, die ebenfalls schon mit mehreren Accounts und ihrem Server “social.bund.de” auf Mastodon vertreten ist.
Mein Blog agiert ebenfalls als Server. Man kann sich hier nicht anmelden, aber der Blog verteilt als Profil im Fediverse die Artikel und man kann dem Blog dort folgen und die Artikel kommentieren. Wenn man via Mastodon kommentiert, erscheinen diese Kommentare im Blog. Wie das funktioniert, dazu komme ich später noch mal.
Alle Server bilden zusammen mit anderen Diensten wie Friendica und Pleroma das Fediverse. Ein Kofferwort aus Federation und Universe.
Das hat echte Vorteile. Denn dadurch gehört das soziale Netzwerk nicht einem großen Konzern, sondern der Allgemeinheit. Da kann kein Elon Musk oder irgendein anderer Milliardär oder eine Firma kommen und Mastodon einfach kaufen. Musk könnte einzelne Server übernehmen oder welche eröffnen, klar. Aber nicht ganz Mastodon oder das Fediverse übernehmen. Zudem wird es dadurch auch schwer als Geheimdienst oder Hackergruppe Mastodon zu überwachen oder im gesamten zu hacken, da die Server nicht zusammenhängen, sondern nur untereinander kommunizieren.
Wie funktioniert Mastodon?
Mastodon ist gar nicht so viel anders als Twitter. Kennt ihr Twitter noch von früher? Als es eine chronologische Timeline gab? Und Sterne statt Herzchen? So ähnlich ist Mastodon. Likes sind hier wirklich nur ein “Dankeschön”, “Sehe ich genauso” oder “Ich habe es gesehen” für den Autor. Eine Anerkennung. Kein Push. Der Stern hat sonst nichts zu bedeuten. Es gibt keine Beiträge, die gepusht werden, weil sie besonders viele Likes bekommen. Kein Algorithmus, der Beiträge im Nirwana verschwinden lässt und andere pusht. Kein “Wer beliebt ist, wird gesehen” und “Das könnte dich interessieren”.
Die Timeline ist rein chronologisch und besteht aus den Usern, denen man folgt und was die tröten und retweeten rebloggen. Hashtags sind hier wichtig. Denn nach Hashtags kann man suchen. Und man kann Hashtags folgen, nicht nur Usern.
Der Aufbau ähnelt ebenfalls Twitter. Hier als einfache Webansicht. Es gibt noch eine für fortgeschrittene Nutzer mit mehreren Spalten.
Und natürlich gibt es auch eine offizielle Mastodon-App (die ebenfalls Open Source ist), mit der man das Netzwerk nutzen kann. Das sieht dann so aus. Keine Sorge, falls jetzt jemand denkt “Oh die ist ja englisch!”: Die App gibt es auch in Deutsch. Ich habe hier nur offizielle Screenshots gezeigt.
(Quelle: Product screenshots by Mastodon gGmbH)
Algorithmen und Interaktionen
Ich bin jetzt zwei Tage auf Mastodon, habe knapp 95 Follower und in dieser Zeit gefühlt mehr Interaktionen gehabt, als in einem gesamten Jahr auf Twitter! Einfach, weil man sich auch wirklich sieht. Immer. Nicht nur, wenn es der Algorithmus will. Und es fühlt sich an wie eine große Party. Im positiven Sinne. Alle wuseln durcheinander, die Stimmung ist super, man sieht viele alte Gesichter, aber auch neue. Man unterhält sich gut. Und ich hab bis jetzt keinen einzigen bösen Kommentar kassiert.
Denn man darf nicht vergessen: Twitter pusht durch den Algorithmus, was sich gut klickt und Aufmerksamkeit erzeugt. Und das ist nun mal eher Streit und Hate und Dinge, die uns aufregen.
Toots, oder zu Deutsch auch Tröts können bis zu 500 Zeichen lang sein. Es gibt zum Teil schon eine Editierfunktion für Tröts, ab Mastodon 4.0 ist das dann, soweit ich weiß, grundlegend implementiert.
Reichweite, Privatsphäre und Contentwarnungen
Man hat auch viel mehr Möglichkeiten, die Reichweite seiner Tröts einzuschränken. Einzeln und individuell. Man muss sich nicht zwischen Schloss- und öffentlichem Account entscheiden.
- Öffentlich = Sieht jede:r.
- Nicht gelistet = Wird nicht öffentlich in Timelines gespült.
- Nur für Follower = Ist nur für Follower sichtbar.
- Direktnachricht = Sehen nur die erwähnten Profile.
Natürlich kann man sein Profil auch so einstellen, dass Follower anfragen müssen, bevor sie folgen dürfen. Und indem man im Profil einstellt, dass Suchmaschinen das Profil nicht indexieren dürfen, taucht man nicht auf, wenn jemand googelt.
Der größte Unterschied zu Twitter ist, dass man im gesamten Fediverse lesen kann oder nur auf dem eigenen Server. Man kann sich also gezielt einen Server aussuchen für sein Interessengebiet oder z.B. für seine Region und hauptsächlich dort bleiben, aber auch mal aus dem Fenster in die große weite Welt gucken. Und man bekommt nichts in die Timeline gespült, nur weil das viele User liken.
Es gibt auch Contentwarnungen auf Mastodon. Und sie werden genutzt! Dafür muss man nur beim Erstellen eines Tröts auf das Warnzeichen bzw. auf “CW” tippen und kann angeben, wovor gewarnt wird. Zudem kann man Medien für sich selbst in den Einstellungen so einstellen, dass nur NSFW Bilder oder gar alle Bilder immer eingeklappt sind, sodass man selbst entscheiden kann, ob man sie sehen möchte.
Funktionen! Funktionen!
Ich habe inzwischen festgestellt, dass man seine Follower sogar sortieren kann nach verschiedenen Kriterien. Zum Beispiel, ob man sich gegenseitig folgt oder nur einseitig, ob die inaktiv sind und wer mir wie lange folgt. Und dann auch massenweise den ausgewählten Nutzern entfolgen. Wer mal aussortieren will, kann das dadurch natürlich sehr leicht.
Außerdem gibt es empfohlene Hashtags. Was sehr nützlich ist für User, die regelmäßig mit einem bestimmten Hashtag twittern. Für Projekte, Themen oder ähnliches.
“Was sind empfohlene Hashtags? Sie werden in deinem öffentlichen Profil deutlich angezeigt und ermöglichen es den Menschen, deine öffentlichen Beiträge speziell unter diesen Hashtags zu durchsuchen. Sie sind ein großartiges Werkzeug, um kreative Werke oder langfristige Projekte zu verfolgen.”
Moderation FTW!
Das Beste an Mastodon ist aber, dass man sich hier tatsächlich um Meldungen kümmert. Ich hatte das erst gestern selbst erlebt: Ich habe einen Account wegen Fakenews gemeldet. 30 Minuten später war der Account weg. Gelöscht. Ohne eine automatische E-Mail, dass man den Inhalt geprüft habe und nichts gefunden hätte. So wie es bei Twitter ja meist läuft.
Wie melde ich mich denn am besten an? Wie finde ich Server? Tipps?
Es gibt viele Server, die euer neues Zuhause werden können. Habt keine Angst, was falsch zu wählen. Ihr seid da nicht gefangen und könnt auch noch umziehen. Auf https://joinmastodon.org/de/servers könnt ihr euch einen Server aus einer Liste suchen. Auf https://instances.social/ werden euch nach ein paar Fragen (welche Sprache usw.) Server empfohlen.
Unter https://fe.soapbox.pub/ habt ihr eine Ansicht im Browser, die der von Twitter ähnelt.
Als Apps sollte man sich alternativ zur Mastodon-App mal folgende angucken:
Und wie war das mit der WordPress-Integration?
Auch WordPress kan ein Teil des Fediverse sein. Ja auch dein Blog. Und das geht ganz einfach.
Nämlich mit dem “ActivityPub”-Plugin von Matthias Pfefferle. Das muss man nur runterladen, installieren und aktivieren, schon kann man unter “Benutzer” > “Profil” sein Handle sehen. Also sollte man. Und dann auch das Profil finden können, wenn man es bei Mastodon in die Suche eingibt.
Diesem Profil kann man dann folgen und alle neuen Beiträge sehen.
Danach sollten alle neuen Beiträge ins Fediverse gepostet werden. Kommentare zu den Beiträgen im Ferdiverse, werden unter dem jeweiligen Blogpost als Kommentar angezeigt. Das ist doch gar nicht schlecht und ein zusätzlicher Weg, dem Blog folgen zu können. Wie die Posts aussehen sollen, ob komplette Beiträge, nur Textauszug oder sogar nur Überschrift + Link, das kann man natürlich einstellen.
Wer das Profil richtig nutzen will, mit tröten und rebloggen, der sollte sich mal die anderen Plugins von Matthias Pfefferle angucken. Damit geht das wohl. So weit bin ich da noch nicht durchgestiegen. Daher diese Info ohne Gewähr. Wer da mehr Ahnung hat, darf hier gerne kommentieren.
Wer kein separates Profil seines Blogs will, sondern einfach nur automatisch Beiträge im bestehenden Profil teilen möchte, der sollte sich mal die Plugins Mastodon Auto Share, Mastodon Autopost oder Share on Mastodon anschauen. Das erste hab ich selbst getestet, das funktioniert wunderbar.
Fun-Fact am Rande:
Trumps Truth Social ist auch eine Mastodon-Instanz. Zum Glück eine isolierte, und selbst wenn es ins Fediverse gespült wird: Man kann auch ganze Server blockieren, nicht nur einzelne User. Den Schrott müsst ihr also nicht lesen.
Wow, ganz herzlichen Dank für diesen aufschlussreichen und hilfreichen Beitrag Jennifer! Ich bin erst seit dem 28.10.2022 bei Mastodon aber fühle mich schon jetzt sehr wohl dort. Dein Text hat mir geholfen meine neue Heimat besser zu verstehen. Obwohl ich Twitter noch parallel nutze, erkenne ich viele Vorteile durch das Fediverse und möchte tiefer einsteigen.
Mich interessiert auch die Möglichkeit meinen Blog mit Mastodon zu “verheirateten” und ich bin gerade dabei mir die von Dir etwähnten Plugins anzuschauen. Dabei ist mir aufgefallen, dass die “Share”-Plugins etwas veraltet scheinen. Nutzt Du eines davon? Oder ist dem Ende das „ActivityPub“-Plugin doch die beste Wahl? Kann man die Integration einem vorhandenen User-Konto ist WordPress hinzufügen?
Danke jedenfalls für Deine Mühe und die Aufklärung!
Hallo und vielen Dank für deinen tollen Kommentar!
Von den Plugins von Pfefferle nutzt man am besten das ActivityPub-Plugin. Ich habe mir die anderen gestern mal angeschaut und der Autor schrieb, dass die teils veraltet sind und er sich auf den ActivityPub konzentriert. Da ist auch gerade eine neue Version in Arbeit.
Der ActivityPub erstellt automatisch ein Profil für jeden User, der eine Autorenseite hat.
Von den aufgezählten Share Plugins habe ich “Mastodon Auto Share” installiert und auch getestet. Das funktioniert gut, obwohl es veraltet ist. Die restlichen habe ich noch nicht getestet, werde aber alle einmal durchtesten und den Artikel entsprechend updaten mit Empfehlungen bzw. Infos ob eines davon Probleme macht.
Alles klar! Dann werde ich erst einmal das ActivityPub-Plugin in meiner Dev-Umgebung testen. Ich finde die Idee, WordPress auf diese Art zu vernetzen großartig und würde das gern nutzen. Bei meinem Blog ist es etwas umfangreicher befürchte ich, weil ich aktuell 166 AutorInnen im Blog habe. Aber das Sharen der Posts und besonderes das “Spiegeln” der Kommentare zwischen Blog und Mastodon finde ich äußerst spannend.
Danke für Deine schnelle Rückmeldung!