Nachdem ich ja so tapfer beim Kieferchirurgen war und mir ein Loch in den Kiefer fräsen ließ (Wurzelspitzenresektion), wollte ich eigentlich so schnell nicht mehr da hin. Auch wenn bei der Zahnärztin Zähne ziehen auf dem Plan stand. Aber eben noch nicht als nächster Schritt.
Leider machte mir der Backenzahn der auf der “zu ziehen”-Liste ganz oben stand einen fetten Strich durch die Rechnung. Er bekam nämlich vor knapp zwei Wochen ein fettes Loch auf der Innenseite. Es tat weh und ich entdeckte bei der Ursachenforschung das Loch. Mist!
Ich dackelte direkt am folgenden Tag zu meiner Zahnärztin um zu besprechen, ob sie den zieht oder ob ich zum Kieferchirurgen muss. Ich mache es kurz: Ich sollte zum Chirurgen! Und der Weisheitszahn dahinter soll auch gleich mit weg. Sie wollte mir auch direkt einen Termin ausmachen, aber das lehnte ich dieses Mal ab und sagte ich würde den selbst machen. Ich war noch erkältet, hatte Husten und Schnupfen. Da wollte ich das lieber nicht sofort machen.
So kam es, dass der Termin erst heute war. Und das habe ich zwischendurch schon bitter bereut. So ein offenes Loch ist schon ganz schön scheiße – lässt sich leider nicht anders sagen.
Daher verbrachte ich jeden Tag einige Zeit im Badezimmer, um das zu säubern, sonst Schmerzen. Die gab es leider trotzdem. Am Wochenende dann auch echt nicht zu knapp. Der ganze Trigeminusnerv war gereizt. Wer schon größere Geschichten beim Zahnarzt hatte, kennt den Nerv und hat ihn schon erklärt bekommen – das ist grob gesagt ein großer Gesichtsnerv der in drei Ästen am Unterkiefer, Oberkiefer und Auge verläuft. Kälte war gar nicht gut und hat alles nur noch schlimmer gemacht. Novalgintropfen halfen nur noch bedingt. Und das ist schon ein starkes Schmerzmittel!
Mit einem lachenden und einem weinenden Auge
Durch die Schmerzen habe ich mich schon richtig auf den heutigen Termin gefreut, sogar ihm entgegengesehnt. Zahnschmerzen sind schlimm und ich hasse sie mehr als ich Angst habe. Trotzdem war mir heute Morgen natürlich sehr mulmig und als ich dann auf dem Behandlungsstuhl saß, wäre ich am liebsten wieder mal in Tränen ausgebrochen. Ich grub meine Finger in den mir ausgehändigten Stressball, dass ich Sorge hatte er könne kaputtgehen.
Der Arzt war wieder total entspannt, erklärte mir was er genau vorhat und dass es passieren kann das die Kieferhöhle geöffnet wird (Mund-Antrum-Verbindung). Ich fragte wie wahrscheinlich das sei. Er meinte die Wurzeln würden sehr wahrscheinlich hineinragen, das sähe man dann. Das akzeptierte ich so. Ums Ziehen käme ich ja eh nicht drumherum. Also Augen zu und durch.
Zu Beginn gab es ein Betäubungsgel, sodass ich die Spritzen wieder nicht gemerkt habe. Als die Betäubung richtig wirkte und der ganze Oberkiefer, der Gaumen und die Wange taub waren, wurde es ernst. Mit tiefer gelegtem Kopf wurde ich abgedeckt und der Arzt wies mich an den Kopf zu drehen.
Ich habe vom Ziehen selbst nichts gespürt. Ich hätte auch vermutet, dass das Ganze länger dauert. Ich spürte lediglich einen Druck auf den Oberkiefer und hörte es leise krachen und knackten als die Zähne gelöst wurde – darauf hätte ich übrigens verzichten können – und dann war es auch schon vorbei. Ohne meine Angst, dass es weh tut oder Probleme geben könnte durch Zerbröckeln des löchrigen Zahnes oder ähnliches.
Nur die Kieferhöhle ist offen. Der Arzt entschuldigte sich dafür. Kann er ja aber nichts machen. Ist eben anatomisch bedingt.
Es wurde alles gut vernäht, was länger dauerte als das Ziehen zuvor. Und dann durfte ich mich wieder in die aufrechte Position begeben und mein Kühlpad empfangen. Es gab noch ein Rezept für Schmerztabletten und Nasic Nasenspray, sowie die Anweisung ja nicht zu schnäuzen in nächster Zeit und das Nasenspray fünfmal täglich zu sprühen, wegen der offenen Kieferhöhle. Nächsten Freitag gehts zum Fäden ziehen zu meiner Ärztin.
Drückt mir die Daumen, dass alles gut abheilt und es keine Probleme gibt.
Die erste Schmerztablette hab ich schon intus, da diese Betäubung nicht so lange gewirkt hat wie bei der WSR. Die Schmerzen sind okay. Es ist ein weniger schlimmer und weit okayer Schmerz, als die vorherigen! Es fühlt sich gerade so an als ob mir jemand auf den Wangenknochen gehauen hätte. Da merkt man halt schon das “Gewalt” im Spiel war. Zähne ziehen ist ja schon mit einigem Kraftaufwand verbunden. Geschwollen ist es (noch?) nicht so doll wie damals bei der Wurzelspitzenresektion.
Insgesamt bin ich sehr zufrieden damit wie es gelaufen ist.
Ich würde mich liebend gerne hinlegen, ich hab seit Tagen nicht richtig geschlafen. Aber ich darf nicht. Auf dem Anweisungszettel steht “Legen sie sich nicht hin!” – also sitze ich hier und tippe diesen Eintrag.
Wieder ein Schritt mehr
Ich bin froh, dass ich es hinter mir habe. Wieder ein Schritt mehr. Wieder etwas geschafft. Wenn ich zurückblicke auf die letzten Monate bin ich sehr stolz auf mich.
Und ich bin froh, dass ich hier im Blog anfing darüber zu schreiben. Trotz meiner Angst, dass dumme Kommentare kommen. Aber diese Angst war unbegründet! Ich bekomme immer wieder Nachrichten von Menschen, denen es so geht wie mir! Die durch meine Beiträge den Mut fanden selbst zum Zahnarzt zu gehen. Das freut mich unheimlich und es macht mir Mut weiterzumachen. Danke dafür ♥
Und falls Interesse besteht bei mir über die eigene Zahnarztangst zu schreiben: Ich bin für Gastbeiträge offen, auch anonym – schreibt mich einfach an. Per Mail, über Instagram. Ich beiße nicht und ihr müsst euch nicht schämen.
Wow, ich habe bisher noch nie einen Blog gefunden, bei dem es um diese Art von Angst ging. Ich bin unheimlich begeistert und erstaunt. So offen damit umzugehen und darüber zu schreiben, hilft dir sicher mit der Angst umzugehen oder?
Aber mir ist auch immer sehr mulmig bei dem Gedanken gewesen. Bis ich letzten Jahr ein Fahrradunfall hatte und ich mir die gesamte Front ausgeschlagen hatte. Weil die Kosten für Implantate so hoch waren, bin ich sogar ins Ausland. Da war mir ganz schön zum heulen zu Mute, aber wenn du mit Mitte 20 schon keine Zähne mehr in der Front hast, kämpfst du dich da einfach durch. Die Klinik wo ich war kann ich übrigens empfehlen! Die meinten sie wären auch froh, wenn ich meine Erfahrung teile 😀 Aber das kann ich verstehen, man hört immer nur aus Werbung “Zahnbehandlung im Ausland” und denkt sich ” niemals”. Der Herr Lukacs geht auch super mit Angstpatienten um, zumindest mit mir damals. Wenn du mal in Ungarn bist: https://completdent.de/zahnbehandlungen/oralchirurgie/, kann ich es dir nur empfehlen.
Aber bist du selbst bei einem Zahnarzt, der eine Weiterbildung in Zahnarztangst hat? ich weiß nämlich, dass Zahnärzte sich darauf spezialisieren können. Besonders auch bei Kindern, das habe ich mal gesehen. Da wird dann viel mit Spiel und Ablenkung gearbeitet. Aber bei Erwachsenen ist es auch wichtig einen Zahnarzt des Vertrauens zu haben. Viele Ärzte können gar nicht so emphatisch reagieren, wie es der Patient eigentlich wünscht. Als Tipp: mir hilft es sehr während der Behandlung Kopfhörer aufzusetzen, laut Musik zu hören und die Augen zu schließen. Der Arzt hat da meist gar nichts dagegen.
Ich wünsche dir noch viel Erfolg und Durchhaltevermögen!
Viele Grüße
Jet
Hallo und danke für deinen tollen Kommentar!
Als ich den ersten Artikel schrieb hatte ich bedenken dass blöde oder gar böse Kommentare kommen wie 2Du bist ja selber Schuld” oder “Wie kann man nur solche Angst haben und es so weit kommen lassen?” – denn ganz ehrlich, das ist das was ich auch von einigen Zahnärzten gehört habe. Oder eben von anderen Menschen. Allerdings bin ich mittlerweile so weit dass ich durchaus mein Revier verteidigen kann. Es ist mein Blog, ich zwinge niemanden zum lesen, ich hab hier Hausrecht und kann solche Kommentare rausschmeißen. Gelesen und gemerkt habe ich sie dann natürlich trotzdem.
Aber es kam nichts dergleichen. Ich schrieb weiter. Und was passierte war: Dass ich Nachrichten von Menschen bekam, denen es genauso geht oder ging wie mir. Die teilweise durch meine Beiträge den Mut fanden selbst zum Zahnarzt zu gehen. Das trägt mich durch meine eigene Angst, macht mir Mut den Weg weiter zu gehen und bestärkt mich darin weiter zu schreiben und offen damit umzugehen.
Meine Zahnärztin hat keine spezielle Weiterbildung. Jedenfalls nicht das ich wüsste, sie wirbt auch nirgends als spezielle Angstpatienten-Zahnärztin. Ich glaube sie kann das einfach gut, alleine dadurch dass sie die Angst ernst nimmt und auf ihre Patienten eingeht. Ich kann das mit de Ablenkung absolut nicht. Ich muss wissen was da gerade vor sich geht, wie weit die Behandlung schon ist.. klingt für manche komisch, aber das gibt mir ein gewisses Gefühl der Kontrolle und dadurch Sicherheit.
Mein Onkel hat sich seine Zähne vor ein paar Jahren in Kroatien machen lassen, weil er es in Deutschland nicht hätte bezahlen können. Ich glaube Ungarn und Kroatien sind dafür die beliebtesten Länder.
Hallo liebe Jennifer! 🙂
Ich muss ehrlich sagen, dass sich deine Geschichte wie ein Abenteuer liest, richtig interessant und spannend geschrieben!
Ich bin auch eine Angstpatientin und wechsel ständig die Ärzte, weil es in meinem alten Wohnort keinen richtigen geschulten Arzt gab (oder einen der mit mir umgehen konnte). Jetzt wohne ich wo anders mit meinem Freund zusammen.
Der neue Arzt war vielversprechend, dennoch bin ich mir unsicher. Ich muss nur an Zahnärzte denken und höre diese lauten surrenden Geräte und habe Gänsehaut. Vielleicht sollte ich mich mal dazu zwingen bei einem zu bleiben…
Ich habe in anderen Blogs gelesen, dass man Vertauen zum Arzt aufbauen soll… geht ja schlecht wenn man immer wechselt.
Also danke für deinen Beitrag und die Erfahrungen die du mit anderen teilst!
VLG Maraike 🙂