Übersicht
Heute: SSW 30 / 29+2
Vorweg: Ich bin ein absoluter Zahnarztschisser! Ja, ich habe Angst vorm Zahnarzt. Schon seit Kindertagen. Das sitzt tief. Damals hatte ich einen bitterbösen Zahnarzt, den man im Dorf irgendwann nur noch „den Viehdoktor“ nannte. Eigentlich eine ziemliche Beleidigung für jeden Tierarzt.
Alleine der Gedanke an Zahnarzt verursacht mir Magengrummeln. Wenn ich weiß, dass ich hin muss bzw. auf dem Weg zum Zahnarzt bin, dann fühle ich mich wie ein Schaf auf dem Weg zur Schlachtbank. Und, wenn ich erst diesen Stuhl sehe: Hilfe! Ich bin die, die zitternd mit schweißnassen Händen da auf dem Stuhl sitzt, deren Herz bis zum Hals klopft und die lieber alles andere tun würde, wenn es helfen würde dem Zahnarzt zu entkommen. Sogar Fenster putzen. Oder mir selber das Bein brechen. Oder Sauerbraten essen (ich hasse Sauerbraten, igitt!). Übrigens ist es nicht gerade hilfreich Horrorgeschichten zum Besten zu geben, wenn man jemandem erzählt, dass man zum Zahnarzt muss und Angst hat. Also jetzt nicht so was wie ihr hier gleich lesen könnt. Sondern so Geschichten ohne Betäubung, mit Blut, schrecklichen Schmerzen und wochenlang geschwollenen Mundteilen oder schlimme Arztfehler.
Wer Zahnarztangst hat, der kann gerne aufhören zu lesen. Aber ich hoffe, dass ich damit dem einen oder anderen Mut machen kann. Mut auf sein Bauchgefühl zu hören – denn genau das habe ich in den letzten Tagen gelernt. Und nicht einfach etwas hinnehmen was ein Arzt sagt oder tut. Ärzte sind auch nur Menschen mit eigenen Erfahrungen und Meinungen und vor allem nicht unfehlbar. Aber fangen wir mal am Anfang an:
Dienstag
Am Dienstag bei 27+1 hab ich was ganz Dummes gemacht. Ein Bonbon gelutscht und gedankenverloren drauf gebissen – *knack* – irgendwas war da nicht okay. Hatte ich gleich im Gefühl. Entweder hab ich jetzt das Bonbon zwischen zwei Zähnen stecken oder aber ein Zahn ist kaputt. Im Badezimmer guckte ich erst mal… sah aber nichts. Fühlte sich nur komisch an. Also Zahnpasta und Zahnbürste gegriffen und geputzt. Mit einem *klonk* fiel plötzlich ein Stück Zahn ins Waschbecken.
Mist! MIST, MIST, MIST!!! Ein großes Stück vom vorletzten Backenzahn unten links war raus. Eine ganze Ecke. Darunter sah man das weiße Zahnbein.. oder was das auch immer ist, was unterm Zahnschmelz so wohnt. Jedenfalls war es weiß. Jede Schwangerschaft kostet einen Zahn? Bis jetzt blieb ich davon verschont. Tja. Bis jetzt!
Panisch packte ich meine Tasche und flitzte zur Zahnärztin um die Ecke. Ja nicht lange drüber nachdenken. Einfach hin und Füllung rein und alles ist gut. Wenn ich zu lange darüber nachdenke, geh ich erst gar nicht hin. Und dann ist der Zahn irgendwann kaputt und tut weh. Noch hatte ich keine Schmerzen! Es war nur komisch und vor allem war die Bruchkante scharf! Leider wurde das mit der schnellen Versorgung nichts. Denn ausgerechnet in dieser Woche hatte diese Zahnärztin Urlaub! Dem Heulkrampf nahe, rutschte ich an der Glasfassade runter in die Hocke. Was jetzt? Sonst gibt es hier im Ortsteil keinen. Also nach Hause, schauen wer ohne Auto in erreichbarer Nähe ist und rumtelefonieren.
Ergebnis: Keiner hatte Zeit für mich. „Rufen Sie die Notdienstnummer an!“ riet man mir immer wieder. Auch eine Ärztin für Angstpatienten in Bremen die lange geöffnet hatte und zu der mich Herr Nord nach der Arbeit fahren könnte, hatte leider keine Zeit für mich. Aber auch dort riet man zum Notdienst. Das tat ich dann notgedrungen auch. Leider ohne Ergebnis beim örtlichen Notdienst. Hier gibt es eine Nummer, bei der man sich telefonisch nach dem diensthabenden Zahnarzt erkundigen kann. Allerdings stand da auch nur Wochenende und Feiertage. Es klingelte und klingelte, keiner ging ans Telefon. Viermal hatte ich es probiert. Viermal gleiches Ergebnis. Was nun? Notdienst in Bremen anrufen! Wenn man schon eine große Stadt in der Nähe hat.. da wird ja wohl einer Notdienst haben!
Also suchte ich den notdiensthabenden Arzt für Bremen. Ich rief in der Praxis an und ließ mir bestätigen, dass sie Notdienst haben: „Ja das ist richtig, kommen sie am besten gleich um 21 Uhr“.
21 Uhr *schluck* mehrere Stunden zum nachdenken und Angst aufbauen. Ich hätte sonstwas dafür gegeben die Zeit zurückzudrehen, damit der Zahn einfach nur wieder heile ist. Nicht zum Zahnarzt. Aber Zeit zurückdrehen geht halt nicht. Also Augen zu und durch. Um 21 Uhr stand ich mit meinem Mann zitternd beim Zahnarzt und musste einen Fragebogen sowie einen Notdienst-Zettel ausfüllen. Kurz darauf wurde ich schon aufgerufen. Die Arzthelferin merkte gleich, dass ich tierische Angst hatte und unterhielt sich mit mir. Über die Schwangerschaft und den Zahn. Sie versicherte mir, dass man nichts machen würde, wenn es weh tut. Ich könnte mich jederzeit melden und dann würden sie sofort aufhören. Das betonte sie mehrmals.
Dann kam der Arzt. Ich erwähnte extra noch mal dass ich in der 28. Woche schwanger sei. Als könnte man das übersehen. Aber besser so als dass der denkt, ich bin einfach nur dick 😉
Er guckte sich den Zahn kurz an, verkündete dann der sei voller Karies und entzündet – Hö? Da sah man doch gar nix. Der war komplett weiß. Auch innen. Und dann hätte ich doch Schmerzen haben müssen.. so kenn ich das zumindest von zwei anderen wurzelbehandelten Zähnen. Egal. Er ist der Arzt. Nicht ich. Wenn der das sagt, wird es stimmen. Also Wurzelbehandlung. Ich ergab mich meinem Schicksal.
Er meinte dann wir hätten nun ein Problem. Wegen der Schwangerschaft könne man mich nicht röntgen. Ich hätte jetzt die Wahl: 1. Eine digitale Längenmessung, dann könnte er die Wurzelbehandlung heute noch komplett abschließen. Die zahlt aber die Krankenkasse nicht komplett. Ich müsse zuzahlen. Oder 2. provisorische Versorgung, das müsse dann aber UNBEDINGT und DEFINITIV nach der Geburt weiter behandelt werden.
Ich fragte was die Längenmessung kostet. Rechnete so mit 30-40 EUR. Und dann sagte er „160 EUR“ und ich wäre fast vom Stuhl gefallen. BITTE WAS? Für ne Längenmessung die pro Wurzelkanal einmal piept? Seid ihr eigentlich bekloppt? Ich hab die früher mal bekommen. Da hat die nichts gekostet. Und die hat nicht wirklich viel gebracht, der Zahn hat trotz Längenmessung nach der Behandlung eine Revision erfordert. Dafür zahl ich doch keine 160 EUR. Nein danke! Ich lehnte freundlich aber bestimmt ab. Provisorisch bitte. Ab da war er leicht angefressen. Ich war wohl unten durch, weil ich ihm zu geizig war.
Mittlerweile frage ich mich auch: Durch die digitale Längenmessung hätte er die Wurzelbehandlung in einem Rutsch durchgeführt? So richtig mit Wurzelkanalfüllung und richtiger Füllung drauf? Wo das doch angeblich entzündet war? Da wäre ich wahrscheinlich wirklich vor Schmerzen eingegangen. Da muss doch erst mal ein Medikament rein, damit die Entzündung komplett weg ist! Das wird doch nicht gleich „abgeschlossen“.
Ich bekam ganz hinten in den Kiefer eine Spritze mit örtlicher Betäubung. Er versicherte mir das sei extra ein schwangerschaftstaugliches Mittel. Ohne Adrenalin. Es tat höllisch weh. Alles wurde taub. Nur die Zähne irgendwie nicht. Lippe, Wange, Zunge.. ja. Aber die Zähne merkte ich alle noch. Was hat der da gemacht?
Als er die Lippe testete und komplett taub war, fing er an zu bohren. Es tat noch mehr weh. Ich meldete mich wie vorher abgesprochen. Der Arzt bohrte munter weiter. Bis ich fast schrie. Dann murmelte er was von nachbetäuben, schob eine kleinere Spritze in den Zahn (auaaa!!!) und betäubte nach. Lies es aber nicht wirken und bohrte gleich weiter. Ich krallte mich in die Lehne vom Stuhl. Himmelherrgottnochmal.. was hab ich mir dabei nur gedacht zum Notdienst zu gehen!!!
Er reinigte dann die Wurzelkanäle ganz fix, verlangte nach Ledermix und Cavit und dann war ich fertig. Das wäre es dann jetzt. Könnte 3 Monate so bleiben. Noch mal eine eindringliche Warnung das weiterbehandeln zu lassen nach der Geburt. Dann war er weg. Ich bekam noch einen Notfallzettel mit. Darauf stand was gemacht wurde. Endlich konnte ich die Praxis wieder verlassen. Ohne Schmerzen hin. Mit Schmerzen raus. Lief irgendwie nicht so optimal.
Mittwoch
In der Nacht habe ich unruhig geschlafen. Das hatte mich doch ziemlich mitgenommen. Am nächsten Morgen stand ich früh auf, weil ich eh wach lag und googelte interessehalber „Wurzelbehandlung in der Schwangerschaft“ – ich war ja eigentlich nur auf eine Füllung vorbereitet. Nicht auf eine Wurzelbehandlung. Das interessierte mich nun dann doch mal, was man in der Schwangerschaft so machen kann. Und dann las ich „In der Schwangerschaft sollten Medikamenteneinlagen mit Tetrazyklin unbedingt vermieden werden“. „Tetrazyklin“ bei Google eingegeben und was kam raus? „Ledermix-Paste“. Ääääh, Moment. Das hab ich doch im Zahn! Das soll drei Monate da drin bleiben. Was kann denn da passieren?
Auszug aus dem Beipackzettel:
4.6 Fertilität, Schwangerschaft und StillzeitSchwangerschaftLedermix Paste sollte während der Schwangerschaft nicht angewendet werden. Die Anwendung von Triamcinolon insbesondere in den ersten 5 Monaten der Schwangerschaft sollte unterbleiben, da Tierversuche Hinweise auf teratogene Wirkungen ergeben haben und Erkenntnisse über die Sicherheit einer Anwendung in diesem Zeitraum für den Menschen nicht vorliegen. Bei Langzeitanwendung sind intrauterine Wachstumsstörungen nicht auszuschließen. Bei einer Behandlung zum Ende der Schwangerschaft besteht für Feten die Gefahr einer Atrophie der Nebennierenrinde. Wegen der antianabolen Wirkung und teratogener Effekte – einschließlich der Ablagerung in Knochen und Zähnen – sollte Demeclocyclin während der Schwangerschaft möglichst nicht angewendet werden.
Weiterhin spuckte Google aus: Gelbe, verformte Zähne, vermindertes Knochenwachstum sowie erhöhte Brüchigkeit der Knochen. Meines Kindes. NICHT bei mir! Das Zeug muss raus. Heute noch! Die Tränen liefen. Und erzählte das wenig später total aufgelöst meinem Mann. Ich lief im Wohnzimmer auf und ab und schrie Zeter und Mordio gegen den Zahnarzt vom Vorabend! Da labert der was von Schwangerentauglichen Betäubungen und so und dann legt er mir solch ein Zeug in den Zahn?! Vor allem da es laut Internet eine ungefährliche Alternative (Calxyl) gibt! Wenn es Alternativlos wäre.. könnte ich es ja noch verstehen. Aber so??
Ich schrieb in unserer örtlichen FB-Gruppe und fragte nach guten Zahnärzten die auch Schwangere ordentlich behandeln. So weit war es schon. Bei einer Empfehlung rief ich an. War ein Zahnarzt aus dem Ort, war für mich erreichbar und ich bekam noch für denselben Nachmittag einen Termin. Juhu!
Um 16 Uhr traf ich dort ein und musste nicht lange warten. Die Zahnärztin war sehr nett. Die Arzthelferin vereinbarte ein Handzeichen mit mir, falls ich Schmerzen haben sollte. Die Ärztin versicherte mir aber, dass es eigentlich nicht mehr weh tun dürfte, der Zahn wäre ja nun tot. Sie bohrte die provisorische Füllung auf und als sie das Ledermix entfernte bin ich fast an die Decke gegangen! *Handzeichen* + Gewimmer. Es wurde sofort gestoppt. Beide guckten sich an, beide guckten in den Zahn. Dann wurde festgestellt: Der Zahn ist nicht tot. Der Zahnarzt vom Vorabend hatte ganz schlecht bearbeitet und nicht alle Wurzelkanäle gereinigt. Und zudem die, die er bearbeitet hat, nicht richtig. In einem der beiden Kanäle, die er behandelt hatte, zuckte noch der Nerv. Danke auch! Ich hätte am liebsten angefangen zu heulen.
Und nun? Die Ärztin meinte, sie will mich nicht schon wieder betäuben und schickte ihre Arzthelferin „das Gift holen“. Äh was? GIFT?!
Ich fragte direkt „Gift? Was? Ist das gefährlich?“
Die Ärztin antwortete „Nein. Das ist nicht gefährlich! Das soll nur den Nerv abtöten, wirkt nur lokal im Zahn. Da müssen Sie keine Angst haben!“
Na, wenn die das sagt… Ich öffnete den Mund und die Ärztin wies ihre Arzthelferin an „ruhig einiges rauszudrücken“. Okaaay… Naja, ist ja ein großer Backenzahn.
Es tat dann weh bei der Einlage. Aber nur ein bisschen. Die Ärztin sagte das sei gut. Das muss so sein. Sie verschloss das ganze wieder provisorisch mit Watte und Cavit. Meinte dann, es könnte sein, dass es noch so 15-30 Minuten weh tut, da sollte ich mir keine Sorgen machen. Danach sollte es sich beruhigen. Wir würden uns dann in einer Woche wiedersehen.
Ich bekam einen Termin für nächsten Mittwoch und machte mir zu dem Zeitpunkt noch keine Sorgen.
Das kam dann erst ganz langsam Abends. Ab und zu ziepte es im Zahn oder im Kiefer. Nichts Bedenkliches. Oder doch? Wahrscheinlich rumorte es nur in mir wegen der schlechten Erfahrung am Dienstag.
Ich ging mit einem mulmigen Gefühl ins Bett.
Donnerstag
In der Nacht konnte ich aber dann überhaupt nicht schlafen. Ich bekam kein Auge zu. Ich wälzte mich von rechts nach links und wieder zurück, probierte es mit und ohne Stillkissen.. nichts half. Ich war unruhig. Irgendwas stimmte nicht. In mir schrille eine innere Alarmglocke. Warum nur? Ich googelte morgens, ob es eine zahnärztliche Beratung gab. Vielleicht beunruhigt mich ja nur, dass ich nicht weiß was da in meinem Zahn ist. Weil das andere Medikament meinem Kind geschadet hätte, weil die vorherige Erfahrung so schlecht war. Ich hätte mir den Namen sagen lassen sollen.
Ich fand die Patientenberatung der Zahnärztlichen Kammer Niedersachsen. Sprechstunde nur Mittwochs. Na super. Das war gestern. So lange wollte ich nicht warten. Zahnarztkammer Bremen? Ja! Die haben Donnerstags von 10-12 Uhr Beratung.
Kurz nach 10 Uhr rief ich dort an. Bandansage! Da die Beraterin im Urlaub ist, findet keine Beratung bis 18.10. statt. Super! Da will man EINMAL eine Beratung haben!
Also noch mal Google genervt. Ein Zahnarztforum gefunden und „Thanks Doc“ – so was wie die normalen Fragenseiten, nur dass hier nur Ärzte antworten! Also stellte ich da meine Frage. War die Behandlung so korrekt? Was ist das für ein Medikament? Müsste ich mir Sorgen machen? Leider antwortete mir niemand in den nächsten Stunden. Und ich hätte doch so gerne eine beruhigende Antwort gehabt.
Dann fand ich die Seite der unabhängigen Patientenberatung. Beratung zu allen Themen. Telefonisch. Also angerufen und eine sehr nette Dame am Telefon gehabt. Keine Ärztin, aber trotzdem bemüht mir zu helfen. Nach unserem Gespräch meinte sie „Ich würde ihnen gerne einen Termin zur telefonischen Beratung bei unserem Zahnarzt machen“ – das war mir sehr recht. Ich bekam eine Fallnummer und einen Termin für den nächsten Morgen.
Auch die folgende Nacht war schlaflos und unruhig. In mir schrillten die ganze Zeit Alarmglocken. Lauter und lauter.
Freitag
In der Nacht antwortete mir ein Arzt bei Thanks Doc. Das Medikament sei Depulpin. Es sollte in der Schwangerschaft nicht eingesetzt werden. Überhaupt ein Medikament was selbst außerhalb der Schwangerschaft nur angewendet werden sollte, wenn es KEINE Alternative gibt. Es sei sehr gefährlich. Ich solle gerne selber mal nachlesen und bekam folgenden Link: https://imedikament.de/depulpin
Der Link war ein Schlag in den Magen. Liest sich wirklich nicht gut. Ich googelte noch die Verpackung und erkannte die Tube wieder. Ja, definitiv das was ich im Zahn hatte! Was hat die da nur gemacht? Und wieso hat man mich nicht richtig aufgeklärt? Ist es so schwer eine Behandlung zu erklären, zu sagen, wieso man diesen Schritt für den besten hält, welche Alternativen es gäbe und den Patient dann entscheiden lässt? Vor allem bei so einem Teufelszeug! Und da wundern sich Zahnärzte wieso man Angst hat?
Ich wartete dann aber noch den Anruf des Zahnarztes der Patientenberatung ab. Pünktlich um 9:30 Uhr klingelte das Telefon. Eine Zahnärztin stellte sich vor, fragte nach der Fallnummer und meinte dann, nachdem ich ihr sagte, dass ich mittlerweile wisse, dass das Medikament „Depulpin“ heißt, sie wäre mit der Behandlung nicht einverstanden. Depulpin oder Toxavit wären Medikamente die heutzutage nicht mehr angewendet werden, weil sie wirklich sehr gefährlich sind. Es kann das Zahnfleisch, umliegende Zähne oder gar den Kieferknochen schädigen. Vor allem sollten solche Nervengifte nur zwei, maximal drei Tage drin bleiben. Dann müssten sie raus. Bei mir sollte es eine ganze Woche drin bleiben. Sie sagte, ich solle heute noch zu einem Zahnarzt und das Zeug entfernen lassen. Es sollte nicht über Wochenende drin bleiben. Es würde meinem Kind nichts tun, aber meine Gesundheit sei in Gefahr. Vor allem mein Mund.
Ich bedankte mich und beendete das Gespräch. Ruhig bleiben. Nicht schreien, nicht heulen, nichts kaputt machen. Ich wollte beruhigt werden und bekam stattdessen die Bestätigung, dass meine instinktiven Alarmglocken berechtigt sind. Elender Mistekack!
Was nun? Die Zahnärztin vom Mittwoch hatte heute geschlossen. Aber ob ich da noch mal hingehen würde ist eh fraglich. Eher nicht. Wohin denn dann? Ich rief kurzerhand in der Praxis in Bremen an, mit der ich schon am Mittwoch telefoniert hatte. Die Angstpatientenpraxis. Den Tränen nahe berichtete ich, was bis jetzt vorgefallen war, dass ichnie zum Notdienst hätte gehen sollen, dass ich gerne den Dreck sofort raus haben möchte.
Die Arzthelferin war betroffen und meinte: „Sie können gerne sofort kommen. Aber sie müssen mit Wartezeiten rechnen, sie haben ja keinen Termin“
Ich antwortete nur: „Das ist mir egal. Und wenn ich bis heute Abend warte! Hauptsache der Kram kommt da raus.“
Ich klärte noch kurz wer K1 vom Kindergarten abholt, da ich ja nicht wusste wie lange ich warten müsste. Meine Schwiegermutter fuhr mich dann zum Zahnarzt. Ich saß zitternd und den Tränen gefährlich nahe im Wartezimmer. Ich war nervlich am Ende. Dritter Zahnarzt in vier Tagen. Mir ging es wirklich gar nicht gut. Was würde jetzt wieder kommen? Wie sähe es in meinem Zahn aus? War schon etwas geschädigt?
Ich musste keine Stunde warten, dann wurde ich aufgerufen. Die Zahnärztin war sehr nett. Ich erklärte ihr was passiert war. Sie erklärte mir im voraus was sie nun machen würde. Beruhigte mich mehrmals. Ich müsse keine Angst haben. Sie will mir nicht weh tun. Erstmal hole man nur das Gift raus.
Sie klopfte mehrmals auf den Zahn und fragte ob das weh tut. Tat es nicht. Ich solle mich sofort melden, wenn es weh tut oder es mir nicht gut geht. Ich solle tief durch die Nase atmen.
Sie bohrte die Füllung auf und machte nebenbei Smalltalk, fragte mich Sachen, auf die ich mit „ähä“ und „ähäh“ (also ja und nein) antworten konnte und lenkte mich so wunderbar ab. Es tat überhaupt nicht weh. Dann holte sie das Depulpin raus und ich sollte den Mund spülen: „Ganz wichtig! Schlucken Sie NICHTS runter, alles muss raus. Nur ausspucken!“
Der Zahn war tot. Die Liegezeit des Giftes hatte vollkommen ausgereicht. Nichts tat weh. Alle Nerven abgestorben. Wer weiß was bis Mittwoch noch passiert wäre!
Die Ärztin machte dann eine richtige Wurzelbehandlung, reinigte die Kanäle anständig, sehr ruhig und gründlich. Sie benutzte dafür auch eine Lupenbrille um alles ganz genau sehen zu können, spülte mehrmals sehr gründlich und legte dann das richtige Medikament (Calxyl) in den Zahn. Und im Gegensatz zu dem ersten Zahnarzt verteilte sie das sogar richtig gut in die Kanäle. Nicht nur einfach oben drauf. Dann verschloss sie den Zahn und ich durfte mich aufsetzen. Ich war erleichtert.
In 4 Wochen will Sie mich zur Kontrolle sehen, eventuell wird dann noch das Medikament gewechselt.
Und jetzt?
Seitdem geht es mir gut. Keine Schmerzen am Zahn! Und ich kann beruhigt wieder essen. Am Samstag hatte ich ein bisschen Schmerzen im Kiefer. Ich vermute das kam davon, dass in den letzten Tagen drei Zahnärzte an dem Zahn rumgepult haben und jeder etwas anderes gemacht hat. Zudem hatte ich eine leichte Zahnfleischentzündung, die aber mit der richtigen Pflege und Pyralvex wieder abgeklungen ist.
3kg und jede Menge Schlaf sind mir abhandengekommen. Aber die Alarmglocken sind weg. Ich kann wieder durchatmen.
Und habe etwas Wichtiges gelernt: Man sollte definitiv auf sein Bauchgefühl hören und sich ja nicht einreden lassen das wäre quatsch. Als Patient hat man Rechte, die gebe ich nicht an der Tür zum Behandlungsraum ab. Ich habe ein Recht darauf zu entscheiden was mit mir passiert. Ich habe ein Recht auf Aufklärung und Entscheidung.
Liebe Zahnärzte, wenn Sie dies hier lesen sollten, dann überdenken Sie doch bitte mal wie Sie Patienten behandeln. Ich weiß das Zeit Geld ist, aber der Patient sollte nicht darunter leiden und für sich die bestmögliche Entscheidung treffen können oder zumindest erklärt bekommen wieso SIE Weg X für das beste halten und dann machen. Viele Menschen gehen ungern zum Zahnarzt weil sie dort ausgeliefert sind. Auch für mich ist dies ein großer Faktor. Sie haben das in der Hand.
[…] Na? Bekommt ihr bei dem Bild auch ein mumliges Gefühl? Ich schon. Ich hatte ja schon über meine Zahnarztangst geschrieben. Und wer schon länger mitliest, weiß ja dass mir in der Schwangerschaft der Zahn abgebrochen ist. […]
[…] Na? Bekommt ihr bei dem Bild auch ein mumliges Gefühl? Ich schon. Ich hatte ja schon über meine Zahnarztangst geschrieben. Und wer schon länger mitliest, weiß ja dass mir in der Schwangerschaft der Zahn abgebrochen ist. […]